It’s all over now

Klingt nach Apokalypse, ein bisschen, nicht? Oder nach einem kurzen SMS, das eine langjährige Beziehung auf einfache Art und Weise beenden soll. Oder nach dem Song von Van Morrison, It’all over now, Baby Blue ...

Tja, ich muss euch enttäuschen, nichts von all dem trifft’s, was mich gerade beschäftigt. Zugegeben, der Song ist gut, kickt (es ist WM-Zeit) leicht melancholische Erinnerungen an damalige Zeiten hoch, als wir noch mit gelangweiltem Blick, lottrigen Jeans und weiten Hemden an der Uni rumhingen, wahnwitzige Ideen wälzten, intellektuelle Diskussionen über die letzte, natürlich, miserable Premiere am Theater schmissen, bei billigem Rotwein und einer nicht nennbaren Anzahl noch billigeren Zigaretten. Tja, lange her. Die intellektuellen Schraubereien sind teilweise einer kaufmännischeren Denke gewichen, zumindest im allseits so bekannten Alltag, der Rotwein schmeckt weniger nach Essig und die Zigaretten, lassen wir jetzt mal außen vor.

Ok, ich komm’ schon auf den Punkt. Wenn’s das nicht ist, was ist dann „all over now“? Eine eigentlich gar nicht so aufregende Sache, banal könnte man sagen. Kennt ihr wahrscheinlich alle, manche mehr, manche weniger. Aber mir geht’s einfach langsam – ich sag’s jetzt gepflegt – auf die Nerven. Ein Mail, eines von vielen, an einem Sonntag. It’s all over now, war der Betreff, es ist vorbei mit meinem World Wide Web Auftritt, mit meiner zeitgemäßen Publizität im Informationsall. In den nächsten 12 Stunden. Zack und weg bist du. Deine Domain gelöscht. Tchüssi und baba, servus, ciao und auf Wiedersehen. Wenn du nicht jetzt und sofort. Wir helfen dir. Wir stehen dir bei. Wir machen dich darüber hinaus zur Nummer 1. Panik, Handy klingelt mehrfach, „was soll ich tun??!“.

Ja jetzt mal halblang. Gibt’s echt so eine große Anzahl an Gläubigen, die panisch auf den leuchtenden Link klicken, hoffnungsvoll auf ein Weiterbestehen ihrer mühsam erstellten Identität hoffen? Habe das unlängst mit meinen IT-Freunden diskutiert und siehe da, das Ergebnis ist – ernüchternd. Es gibt sie, und nicht zu wenig. Die klicken auf so ziemlich alles, das da reinkommt. Kein Schmäh. Und dann, zack und weg. Daten weg, Compi gesperrt, Drama auf der ganzen Länge. Dann hast du dich von ganz alleine vertschüsst. Aber trotz dieser ganzen DSGVO Panik, dieses umfassenden Schutzes, der uns jetzt allen zu Teil wird, dümpeln wir weiterhin scheinbar völlig hilflos im Datennirvana. Einfach mal runterkommen, Hirn einschalten, den kleinen Hausverstand aktivieren und geht schon. Wir sind längst ein offenes Buch, Anonymisierung von IP-Adressen hin oder her, alles schon lange geschehen. Dokumentiert, festgehalten, gespeichert. Tja und jetzt? Nix. Einfach mitdenken, Dampf rausnehmen und weiterarbeiten. Und klar, einfach nicht alles glauben, was da so im Mail-Ordner landet.

Wobei, da ploppt grad so eine Idee auf, das könnten wir doch alle auch machen?! Wir setzen unsere dunkelsten Sonnenbrillen auf, werfen uns einen schwarzen Umhang um und verschicken Mails mit der Aufforderung, unsere Produkte oder Dienstleistungen zu kaufen, sonst – aus die Maus, zusperren, tote Hose. Nicht gut? Ok, dann eben nicht.

Gertrud Kainz